WESTFALEN-BLATT 25.06.2009
Der bunte Hippiegeist der späten 70er Jahre
»Umsonst und draußen«: die Anfänge in einer CD-Box
Von Hartmut Horstmann
Kreis Herford (HK). Der Herforder Musikjournalist Günter Scheding vergleicht den Erfolg mit einem Stein, der ins Wasser geworfen wird. Er zieht immer weitere Kreise - wie die
Festivalform »Umsonst und
draußen«, deren Ursprünge im
Kreis Herford liegen. Eine CD-
Box mit Aufnahmen der ersten
Jahre ist jetzt erschienen.
Damit füllen die Vlothoer Veranstaltungs-Pioniere eine unter
Fans große Bedarfslücke. Die alten
Platten seien nicht mehr erhältlich, sagt Lars Schulz, Geschäftsführer des Vereins »Umsonst und
Draußen«. Bei der Versteigerungsplattform Ebay erzielen sie Preise
von mehr als 100 Euro.
In dem Begleitheft zur Box
erinnert Günter Scheding an die
Anfänge im Jahr 1975. Einer der
Beteiligten war damals Wolfgang
Kuhlmann, der heute in der Kreisverwaltung arbeitet. 1975 ging es
darum, mit seiner Band Hammerfest einen Auftrittsort zu finden.
Kontakte zu anderen Musikern
führten zum Entstehen eines Minifestivals in Valdorf. Die Bühne
bestand aus einem Traktor-Anhänger, 2000 Menschen feierten.
Zwei weitere Festivals fanden
auf dem Vlothoer Amtshausberg
statt. Die Konsequenz des zunehmenden Erfolges, so Scheding:
»Die kleine Stadt war lahm gelegt,
die Idylle gestört.«
Im kommenden Jahr
wichen die Veranstalter auf eine Kiesgrube in Porta Westfalica aus. Von bis zu
100 000 Besuchern
war 1979 die Rede -
was zu einer elfjährigen Unterbrechung des Festivals führte; denn die neuen logistischen Herausforderungen waren rein ehrenamtlich nicht zu bewältigen.
Von den Festivals der Jahre
1975 bis 1978 waren Platten erschienen. Diese sind jetzt in guter
Produktionsqualität auf CD erhältlich. Wer sie hört, begibt sich
auf eine Zeitreise in die 70er
Jahre, als die Kommunen den ländlichen Raum erobert hatten.
Musikalisch dominiert der Jazz-Rock - mit einem keyboardgeprägten Rhythmusgeflecht, das die
Festivalbesucher tanzen ließ und
gleichzeitig Improvisationen für
Gitarre, Saxophon oder Querflöte
ermöglichte. Zu den Bands zählen
Embryo, Missus Beastly oder
Munju. Musikkritiker entdecken
hier die Anfänge der Weltmusik.
Aus heutiger Sicht unlustig wirkt die
angestrengte Anti-Spießer-Haltung einer Band wie Checkpoint Charlie. Doch
auch hier spiegelt
sich der bunte Geist
der späthippiesken
70-er. Und dann die heimische Losgehrock-Band Hammerfest als Kontrast
zum Jazzrock: »Wilde Zeit/Keine
Stunde tut mir leid.«
»Aufbrüche! Umsonst & Draussen Festivals 1975-78«: Die CD-
Box ist über den Tonträgerhandel, den Buchhandel oder
beim Verein »Umsonst und draussen« bestellbar. |